30.09.2013
„A Tickle in the Heart“ heißt die Klezmerband, mit der Andreas Schmidtges seit Jahren zu Hochzeiten und anderen – keineswegs nur jüdischen! – Festen und Konzerten aufspielt und zu deren Publikum schon ein Oberrabbiner, die Bundeskanzlerin und ein Papst gehörten (allerdings nicht gleichzeitig).
Ebenfalls ein „Kribbeln im Herzen“ muss der gebürtige Rheinländer verspürt haben, als er letztes Jahr nach Halle zog und hier auf eine höchst ausbaufähige jiddische Kulturszene traf. Also „erfand“ er die ersten Hallenser Jüdischen Kulturtage. Musik soll es geben, Gesang und Tanz – Schmidtges ist ausgebildeter „tantsmayster“ für jiddische Tänze – wie auch Ausstellungen, Vorträge und Stadtführungen.
Verbündete und Unterstützer waren schnell zur Stelle: Die Jüdische Gemeinde natürlich, das Seminar für Jüdische Studien der Martin-Luther-Universität, der Freundeskreis Leopold Zunz Zentrum e.V., das Cultour-Büro Halle, der Zentralrat der Juden in Deutschland und die Landeszentrale für Politische Bildung Sachsen-Anhalt. Fehlte nur noch ein Anlass – und davon bot das Jahr 2013 einige: Die neue Thorarolle zum Beispiel, die die Jüdische Gemeinde im Mai endlich erwerben konnte. Erst kürzlich haben die Gemeindemitglieder sie zu „Simchat Thora“, dem Thorafreudenfest, durch ihre Synagoge getragen und dazu getanzt. Die Synagoge selbst wurde 1953 eingeweiht - vor 60 Jahren also. Ein weiterer Grund zum Feiern, aber auch zum Nachdenken.
Nicht, dass es in Halle zuvor kein solches Gebäude gegeben hätte. Nur war die alte Synagoge in der Innenstadt in der Pogromnacht 1938 zerstört worden. Ganze 49 Juden lebten bei Kriegsende in Halle. Manche befanden sich auf der Durchreise – in ihre alte Heimat oder eine neue - und manche blieben. Doch die „Jüdische Gemeinde zu Halle (Saale)“ war „wieder ins Leben getreten“, und man begann, die Trauerhalle auf dem alten jüdischen Friedhof zur Synagoge umzubauen. Dazu musste vor allem der Eingang an der Ostseite zugemauert werden – damit dort der Tradition gemäß der Schrein mit den Thorarollen seinen Platz bekam.
Gewidmet sind die Jüdischen Kulturtage Professor Emil Fackenheim, der 1916 in Halle geboren wurde und vor zehn Jahren in Jerusalem starb. Für Max Privorozki, den Vorsitzenden der Hallenser Jüdischen Gemeinde, ist dieser Anlass der wichtigste. Er hat Fackenheim noch selbst kennengelernt und zeigt sich bis heute beeindruckt von dessen Persönlichkeit. Vor allem aber ist ihm eine der Schriften in Erinnerung geblieben, die der jüdische Philosoph verfasst hat. Den 613 Geboten nämlich, die für jüdisches Leben gelten sollen, fügte er noch ein 614. hinzu. Juden, so heißt es dort sinngemäß, dürften nicht zulassen, dass das verbrecherische Gedankengut Hitlers und seiner Anhänger jemals die Oberhand gewänne. Es scheint paradox: Gerade die Begeisterung und Freude, mit der die Hallenser Jüdischen Kulturtage vorbereitet und die sie hoffentlich auch verbreiten werden, zeigen, wie ernst die Einhaltung dieses Gebotes genommen wird. Nicht nur von Juden.
Mehr Informationen: www.jüdischekulturhalle.de